Ein Interview mit Prof. Dr. Armin Schneider
Herr Schneider, wie können Führungskräfte am besten mit den Unsicherheiten und Ängsten ihrer Mitarbeiter umgehen? Und wie mit den eigenen Sorgen?
Armin Schneider: Eines ist ganz wichtig: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation. Dabei darf man auch als Führungskraft seine eigenen Ängste zeigen und benennen. Man kann nicht einerseits Stärke demonstrieren, wenn einem andererseits die Anspannung angesehen wird. Für Führungskräfte gilt aber: Sie müssen ins Handeln kommen. Die Krise auszusitzen und abzuwarten ist zu wenig. Man muss Präsenz zeigen. Dazu gehört, die Ängste und Sorgen der Mitarbeiter ernst zu nehmen und sie zu fragen, was man ändern kann, damit sie zum Beispiel keine Angst vor einer Ansteckung am Arbeitsplatz haben müssen.
Wie transparent sollten Führungskräfte gegenüber ihren Mitarbeitern auch Sorgen kommunizieren, die die Zukunft des Unternehmens betreffen?
Schneider: Es würde noch mehr Unsicherheit bedeuten, gar nichts zu sagen und von jetzt auf gleich eine Entscheidung zu fällen. Ich würde zumindest Unwägbarkeiten benennen und meinen Mitarbeitern sagen: „Wir versuchen alles möglich zu machen, ich kann aber nicht ausschließen, dass es zu Kurzarbeit kommt.“ Aber es ist ja nicht so, dass wir zurzeit gar nichts tun können. Die Frage ist: Wie können wir anstelle von Präsenzterminen mit Telefonaten, Videokonferenzen usw. arbeiten? Für alle sozialen Einrichtungen, für Kirchen und Gesundheitsdienste ist es wichtig, zu überlegen, wie man den Dienst am Menschen trotz aller Einschränkungen weiter gewährleisten kann.
Welche Leistungen können und dürfen Führungskräfte in diesen unsicheren Zeiten von ihren Mitarbeitern erwarten?
Schneider: Das hängt auch von der häuslichen Situation des Mitarbeiters ab. Wenn ein Mitarbeiter zu Hause Angehörige pflegt oder Kinder im Homeschooling betreut, müssen Arbeitgeber Rücksicht darauf nehmen. Vielleicht kann man auch etwas an den Arbeitszeiten verändern und durch eine flexiblere Gestaltung der Arbeitsabläufe einiges entzerren. Generell habe ich den Eindruck, dass die Tendenz eher dazu geht, dass Mitarbeiter im Homeoffice noch mehr arbeiten als sonst. Ich halte auch Videokonferenzen für wesentlich anstrengender als Präsenzkonferenzen. Gerade bei Videokonferenzen müssen Führungskräfte für feste Pausen sorgen. Als Vorgesetzter sollte man Mitarbeiter auch dazu anleiten, für sich selbst zu sorgen. Einfach mal rauszugehen, einen Spaziergang zu machen, damit der Kopf frei wird. Wenn man die ganze Zeit angespannt vor dem Computer sitzt, ist das der Gesundheit nicht förderlich. Wichtig ist auch die Sorge für sich selbst. Corona betrifft ja nicht nur die Mitarbeiter, sondern die Führungskräfte genauso.
Was können Arbeitnehmer von ihrer Führungskraft erwarten? Was wird erwartet?
Schneider: In meinem Buch Die ersten 100 Tage und danach… Handbuch für neue Führungskräfte zitiere ich Jeneweins drei wichtige Elemente, die durch mediale Distanz wichtig für Führungskräfte sind: Power, Präsenz und Wärme. Führungskräfte müssen präsent sein und die Power ihres Handelns zeigen. Nicht nach dem Motto „ich bin der Allmächtige“, sondern „was können wir in dieser Situation tun?“. Eine Führungskraft muss eine Orientierung bieten können, aber seine Mitarbeiter auch einbeziehen in die Frage, was man machen kann und wo es Ideen gibt, die man verwirklichen kann. Das gilt auch für Informelles. Es ist wichtig, sich für seine Mitarbeiter zu interessieren und ernsthaft nachzufragen, wie es ihnen geht. Dafür muss man Formen finden, zum Beispiel, indem man den Mitarbeiter anruft. Oder dass man im Videochat die Möglichkeit eröffnet, eine virtuelle Kaffeepause zu machen. In der aktuellen Situation ist Wärme und Mitgefühl noch einmal wesentlich wichtiger als es sonst ist.
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Welche analogen Formen lassen sich ins Homeoffice übertragen?
Schneider: Man muss sich dessen bewusst sein, dass man analoge Formen nicht eins zu eins ins Virtuelle übertragen kann. Es ist aber einiges möglich. Ein Personalgespräch kann ich zum Beispiel über eine Videoplattform führen. Ich kann aber auch – vorausgesetzt, beide sind damit einverstanden – einen Spaziergang mit Maske machen. Man sollte sich immer der Vorläufigkeit der Formen bewusst sein und mit den Mitarbeitern gemeinsam überlegen: Was kann man noch tun? Was haben wir bis jetzt eingeübt und wo können wir Möglichkeiten schaffen, um eine größere Zufriedenheit bei der Zusammenarbeit zu haben? Wo kann man nachjustieren?
Was ist zu beachten, wenn neue Mitarbeiter während der Coronakrise im Unternehmen starten?
Schneider: Führungskräfte sollten Nähe möglich machen, soweit das auf Distanz geht. Neue Mitarbeiter sollten die Möglichkeit bekommen, sich auch im virtuellen Meeting vorzustellen. Ich würde aber auch zu individuellen Gesprächen raten, um Zeit miteinander zu verbringen und Fragen und Erwartungen zu klären. Diese Kommunikation mit dem Vorgesetzten sollte keine Ausnahme sein, sondern die Regel. Man sollte Routinen schaffen, denn Routinen geben eine gewisse Sicherheit und Verlässlichkeit.
Wie können sich Führungskräfte auf Krisenzeiten vorbereiten?
Schneider: Ich rate jeder Führungskraft, ein aktives Risikomanagement zu betreiben. Wo liegen mögliche Risiken? Zum Beispiel, dass Personal oder Lieferanten ausfallen. Solche Risiken gilt es einzukalkulieren. Das gilt auch für Sozial- und Gesundheitsunternehmen. So große Krisen wie Corona kann aber kein Risikomanagement einplanen. Denn man muss ja auch handeln können. Mittelfristig können wir aber viele Risiken einpreisen.
Was lässt sich aus der Corona-Krise lernen?
Schneider: Wenn wir etwas aus der Krise lernen können, dann Risikomanagement. Aber auch das Wissen, dass wir nicht allmächtig sind trotz unserer technischen Möglichkeiten. Wir gewinnen neue Kompetenzen hinzu, die sicherlich auch unsere Resilienz stärken können. Es ist nicht alles schlecht. Wir haben gelernt, dass wir auch auf Distanz Kontakt zu unserer Familie und zu unseren Freunden halten können. Es gab einen großen Schub in Richtung Digitalisierung. Vor einem Jahr habe ich eine reine Online-Lehre noch abgelehnt, weil ich es zu unpersönlich fand. Das kann ich mir jetzt als Professor nicht mehr erlauben. Ich muss jetzt überlegen, wie ich den Stoff in anderer Form rüberbringe, die Leute aber trotzdem noch Spaß am Lernen haben. Es gibt viele Tools, die man nutzen kann und auch sollte: Man kann Kleingruppen bilden, Pausen einbauen oder Möglichkeiten zur Rückmeldung zur Verfügung stellen. Unser Repertoire an Möglichkeiten ist gewachsen.
Armin Schneider, Dr. phil., Professor für Empirische Sozialforschung und Sozialmanagement, Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz sowie Direktor des Institutes für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit | Rheinland-Pfalz (IBEB). Langjährige Erfahrung im Management der Kinder- und Jugendhilfe und in der Leitung eines Forschungsinstituts. Derzeitige Schwerpunkte: Leadership, nachhaltiges Management, Organisationsethik, Qualitätsentwicklung im Diskurs