Welche Themen bewegten die Sozialbranche 2020? Vor welchen Herausforderungen standen Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser in diesem Jahr? Fokus Sozialmanagement zieht Bilanz und zeigt die 10 wichtigsten Themen der Sozialbranche 2020.
1 Corona-Pandemie: Rettungsschirm und neue Gesetze
Ein Ereignis prägte das Jahr 2020 wie kein zweites: Die Corona-Pandemie stellte nicht nur die Sozialbranche vor Herausforderungen. Selbstständige genauso wie große Unternehmen litten unter den Auswirkungen der Corona-Krise und den Einkommenseinbußen. Die Bundesregierung brachte deshalb im Eiltempo neue Gesetze, Rettungsschirme und Gesetzesänderungen auf den Weg. Dazu gehörten zum Beispiel Regelungen zum Kurzarbeitergeld, zur Grundsicherung und zu BAföG. Eine Übersicht mit allen Änderungen finden Sie auch auf der Seite www.fokus-sozialrecht.de.
2 Corona-Warn-App startet erfolgreich
Seit 16. Mai ist die Corona-Warn-App in Deutschland verfügbar. Die Bundesregierung warb im Vorfeld kräftig für den Download. Mit Erfolg: Mehr als sechs Millionen Menschen installierten die App bereits am ersten Tag auf ihrem Mobiltelefon. Die App misst über Bluetooth, ob sich Handynutzer über eine längere Zeit näher als etwa zwei Meter gekommen sind. Der Nachteil: Nur wenn die Menschen die App tatsächlich aktiv nutzen und ihr positives Testergebnis teilen, zeigt die Anwendung Wirkung. Aus diesem Grund wurde die App oftmals kritisiert.
3 Pflegebonus und Forderung nach Anerkennung
In der Corona-Krise rückte auch die Situation der Pflegekräfte in den Fokus. Zu Beginn der Pandemie klatschen die Menschen allabendlich Beifall. Doch der Applaus verstummte schnell und die Pflegekräfte wünschen sich langfristige Anerkennung, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.
Auch der Pflegebonus in Höhe von 1.500 Euro traf nicht nur auf Fürsprecher. Kritisch äußert sich zum Beispiel die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein. Viel wichtiger als eine einmalige Prämie, sei schließlich ein flächendeckender Tarifvertrag.
4 Digitalisierung an Schulen
Viel Kritik hagelte es im vergangenen Jahr für die Schulen. Die Corona-Pandemie und der daraus resultierende Unterricht von zu Hause aus offenbarten die mangelnde Digitalisierung an Schulen. Von einer bundesweiten digitalen Lösung fehlte jede Spur und auch eine Schul-Cloud schien in weiter Ferne. Beim Schulgipfel im Kanzleramt beschlossen Bund und Länder, bei der Digitalisierung der Schulen zukünftig noch enger zusammenzuarbeiten. Als erste Maßnahme sollten die 800.000 Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland Dienstlaptops erhalten.
Auch der „Digitalpakt Schule“ wurde erweitert. Das Förderprogramm wurde vor über einem Jahr mit ursprünglich fünf Milliarden Euro ins Leben gerufen. Der Bund wollte die Summe für den Aufbau der digitalen Infrastruktur an den Schulen investieren. Geplant war zum Beispiel die Installation von schuleigenem WLAN oder die Anschaffung digitaler Tafeln. Inzwischen wurde der Digitalpakt noch einmal aufgestockt. Schulen erhalten nun auch für die Wartung digitaler Technik 500 Millionen Euro vom Bund.
5 Personalnotstand spitzt sich zu
Fehlende Pflegekräfte waren schon in den vergangenen Jahren ein vorherrschendes Thema. In der Corona-Krise spitzte sich der Personalnotstand weiter zu. Viele Pflegekräfte erkrankten oder mussten sich in Quarantäne begeben. Personaluntergrenzen wurden deshalb teilweise ausgesetzt. Für Pflegekräfte bedeutete das eine enorme Belastung. Eine mögliche Lösung: Pflegekräfte aus dem Ausland. Schon jetzt setzen viele Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser auf ausländische Fachkräfte.
6 Digitale Recruiting-Tools und modernes Personalmarketing
Wie können Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen neue Arbeitskräfte finden und diese langfristig binden? Dieser Frage ging auch die Autorin Maja Roedenbeck Schäfer nach. Auf ihrem Blog https://recruiting2go.de/ stellt sie digitale Tools und neue Methoden auf den Prüfstand und berichtet von ihren Erfahrungen. 2020 testete sie zum Beispiel den Anbieter betterheads.io, der eine Bewerbung per Spracheingabe bzw. Audio-Chat ermöglicht, sowie das virtuelle Tool Talk’n’Job. Hier stellt der virtuelle Recruiter Neo den Bewerber:innen Fragen, die über Spracheingabefunktion zu beantworten sind.
7 Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz
Intensiv-Pflegebedürftige sollen besser versorgt, Fehlanreize in der Intensivpflege beseitigt und die Selbstbestimmung der Betroffenen gestärkt werden. Das sind die Ziele des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes, das der Bundestag 2020 beschloss. „Intensivpflegebedürftige sollen dort versorgt werden können, wo es für sie am besten ist. Das darf keine Frage des Geldbeutels sein“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn. Zudem werden Krankenhäuser und Heime verpflichtet, Patienten falls möglich von künstlicher Beatmung zu entwöhnen. Dafür wird eine zusätzliche Vergütung gezahlt.
Im Vorfeld gab es jedoch kritische Stimmen und Demonstrationen. Viele Menschen mit Behinderung fürchteten, gegen ihren Willen im Heim zu landen. Doch das neue Gesetz unterstützt auch häusliche Intensivpflege.
8 Digitalisierung im Gesundheitswesen: Neue Technologien und Health Startups
Auch Arztpraxen, Kliniken und Pflegeeinrichtungen waren 2020 mehr denn je auf digitale Lösungen angewiesen. Neue Technologien und Health Startups konnten deshalb punkten. Ein Beispiel dafür ist das Hebammen-Startup Kinderheldin. Das Unternehmen setzt auf Video-Chats und Telefonberatung, um Schwangere und Hebammen zu vernetzen. Ein weiterer Fortschritt: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) setzte die Obergrenze für telemedizinische Kontakte zwischen Patient und Arzt aus. Das könnte ebenso dazu führen, dass das Interesse der Ärzte an digitalen Tools steigt.
9 Veränderte Arbeitswelt und New Work
Für viele Arbeitnehmer:innen ersetzte das Home Office plötzlich das Büro und das gewohnte Arbeitsumfeld. Technologien wie virtuelle Kollaborationstools, digitale Vertriebswege oder Cloud Computing gewannen deshalb während der Corona-Krise an Bedeutung. Auch bei den Mitarbeiter:innen wächst die Offenheit und das Verständnis für neue Tools und Technologien.
Dieser schlagartige Wandel befeuerte natürlich auch die Diskussion um die Arbeitswelt der Zukunft. Der Begriff New Work war in aller Munde. Fritjof Bergmann prägte den Begriff bereits in den 80er-Jahren und gilt heute als Pionier. In einem Videocast analysierte Bergmann, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf New Work hat. Hier können Sie den ersten Teil des Gesprächs sehen: https://nwx.new-work.se/nwxnow/weichenstellung-fur-new-work-videocast-kw34-bergmann
10 Bedingungsloses Grundeinkommen: erste Langzeit-Studie
Auch Diskussionen um ein bedingungsloses Grundeinkommen rückten 2020 in den Fokus. Nun soll eine Langzeit-Studie erstmals die Auswirkungen testen. 1.200 Euro pro Monat, drei Jahre lang, keine Bedingungen – für 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer soll dies bald Realität werden. Hinter der Studie, die im Frühjahr 2021 starten soll, verbirgt sich der Verein „Mein Grundeinkommen“. Der Verein arbeitet für das Forschungsvorhaben mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und mit dem Max-Planck-Institut (MPI) zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern zusammen. Die Studie soll vor allem erforschen, welche Veränderungen das Einkommen im Alltag der Teilnehmenden bewirkt.