Die Sozialbranche ist im Wandel: Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Arbeitsweise aus? Wie werden neue Arbeitskräfte gewonnen? In welche Richtung sollen sich Wohlfahrtsorganisationen verändern?
All diese Themen sind Teil des BarCamps Soziale Innovation am 18. Oktober an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Das Besondere: Ein BarCamp besticht durch seine offene Struktur. Feste Abläufe und vorgegebene Tagesordnungen sucht man hier vergeblich. Stattdessen kann jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ein Thema vorschlagen und dieses in sog. Sessions mit anderen Personen diskutieren.
Prof. Dr. Uwe Kaspers ist einer der Organisatoren. Als Leiter des Studiengangs Wirtschaftswissenschaften im Sozial- und Gesundheitswesen kennt er die aktuellen Herausforderungen und Trends in der Sozialbranche.
Welche Themen die Sozialbranche derzeit beschäftigen und was der Reiz eines BarCamps ist, verrät er im Interview.
Das BarCamp 2019 steht in diesem Jahr unter dem Motto: „Soziale Dienstleistungen neu denken: Neue Wohlfahrt – Neue Arbeitswelten – Digitalisierung“. Wie kommt es zu diesem Untertitel?
Uwe Kaspers: In unserer Fachgruppe haben wir lange diskutiert und uns schließlich für diese Leitthemen entschieden. Das alles sind Megatrends in der Sozialbranche, um die wir uns dringend kümmern sollten.
Welche Bedeutung haben diese drei Trends für soziale Organisationen?
Uwe Kaspers: Was die Wohlfahrt betrifft, so könnte man sich fragen, ob das System zukunftsfähig und ausreichend innovationsfreudig ist. Wir haben in Deutschland ein tradiertes System der Finanzierung von sozialen Dienstleistungen über Steuer- und Beitragsmittel. Wird der Staat aufgrund des demographischen Wandels auf Dauer in der Lage sein, dieses System zu finanzieren?
Der Begriff „neue Arbeitswelten“ bezieht sich auf das Problem des Fachkräftemangels. Jetzt schon sind einige Bereiche nicht mehr in der Lage, neue Arbeitskräfte zu rekrutieren. Viele Organisationen überlegen sich deshalb andere Arbeitsformen und neue Arbeitszeitmodelle, um für junge Menschen mit guter Ausbildung attraktiv zu sein.
Auch bei der Digitalisierung gibt es im Sozialwesen eine Menge Nachholbedarf. Zum Teil herrscht bei Mitarbeitern und Führungskräften eine starke Abwehr gegenüber neuen digitalen Geschäftsmodellen.
Wie kann man diese Skepsis gegenüber der Digitalisierung aufbrechen?
Uwe Kaspers: Man muss die Menschen fordern und ihnen klar machen, dass es gute Gründe gibt, neuen Entwicklungen zu folgen. Mein Ansatz ist es, Austausch zwischen der Sozialbranche und anderen Wirtschaftszweigen zu fördern.
Der interdisziplinäre Austausch steht ja auch bei einem BarCamp im Vordergrund. Wieso eignet sich dieses Format, um die verschiedenen Themen zu diskutieren?
Uwe Kaspers: Ein BarCamp ist komplett offen gestaltet und überlässt eine ganze Menge dem Zufall. Wenn ich hingegen eine klassische Konferenz organisiere und Keynote-Speaker einlade, kann ich zum Zeitpunkt der Organisation noch gar nicht wissen, welche Themen in einem halben Jahr wichtig sind. Bei BarCamps sind alle Teilnehmer auch Teilgeber. Sie sind eingeladen, auch unausgereifte und vermeintlich lächerliche Gedanken zu äußern. Viele neue Ideen nimmt man erst nicht ernst, aber die Atmosphäre eines BarCamps lädt dazu ein, mutig zu sein.
Zeichnen sich denn schon konkrete Themen für die Sessions am 18. Oktober ab?
Uwe Kaspers: Bei vielen BarCamps muss man die Sessions vorher anmelden. Wir überlassen das jedoch komplett dem Zufall und wissen auch als Organisatoren vorher nicht, wie die Veranstaltung ablaufen wird. Das hat den Vorteil, dass jeder Teilnehmer auch spontan noch ein Thema vorschlagen kann.
Wie gut müssen sich die Teilnehmer auf eine Session vorbereiten?
Uwe Kaspers: Es ist auch möglich, einfach nur ein Thema anzureißen und so eine Diskussion anzuregen. Ich habe bereits an solchen Sessions teilgenommen – mit überraschenden Ergebnissen.
Werden Sie selbst auch eine Session leiten?
Uwe Kaspers: Das lasse ich noch offen, je nachdem wie viele Themen aus dem Teilnehmerkreis kommen. Vermutlich halte ich mich zurück, aber es reizt mich natürlich.
Wie lautet Ihr Wunschthema?
Uwe Kaspers: Ich interessiere mich für die Einbindung von digitalen Anwendungen in der Pädagogik. Immer mehr Krankenkassen beschäftigen sich damit, wie man Leute motivieren kann, gesünder zu leben. Und warum können wir uns im Sozialwesen nicht darüber Gedanken machen und Anwendungen entwickeln, die Leute zum Beispiel motivieren, besser miteinander umzugehen oder besser mit ihrem Suchtverhalten klarzukommen? Für mich ist das der logische nächste Schritt.
Mehr Informationen zum BarCamp Soziale Innovation 2019: http://www.innovation-sozial.de/index.html