Symbolbild Digitaler Transformation als Konzept

Vorstand und Digitalisierung – zwei Begriffe, die sich ausschließen?

Verfügen deutsche Vorstände über die Zukunftsfähigkeiten, die die digitale Transformation erfordert? Dieser Frage gingen  Prof. Julian Kawohl von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und  Dr. Jochen Becker vom Investment Lab Heilbronn nach. Sie untersuchten die Biographien – basierend auf der Analyse von Geschäftsberichten, Firmen-Homepages und Eigenangaben in LinkedIn- und Xing-Profilen – von 411 Vorstände aus 80 börsennotierten Unternehmen.

Gut, jetzt sind keine sozialwirtschaftlichen Organisationen im DAX oder MDAX zu finden. Man kann aber davon ausgehen, dass sich auch in Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft ähnliche Muster ergeben. Die von Krawohl/Becker veröffentlichte Studie ist deshalb auch in diesem Sektor lesenswert.

Ausgangsfragen der Studie waren:

  • Welche unternehmerischen Erfahrungen bringen die Topmanager deutscher Großunternehmen mit?
  • Welche Digitalkompetenz konnten sie sich in ihrem bisherigen beruflichen Werdegang aneignen?
  • Welche Unternehmen haben das Topmanagement-Team mit den meisten Unternehmern und Digitalexperten in ihren Reihen?

Wenig überraschend das Fazit der Studie: Die wichtigsten börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben bei der Besetzung ihrer Vorstandsteams noch großen Nachholbedarf in Bezug auf Entrepreneurship- und Digitalerfahrung aufzuweisen. Hier nachzusteuern wird eine der größten Herausforderungen für sie in den kommenden Jahren sein.

Folgende Handlungsschritte werden von Krawohl/Becker für die Praxis empfohlen:

  • Verjüngung des Vorstandsteams und Mischung der Altersstruktur
  • Aufbau von Senior-Junior-Vorstandstandems zur gegenseitigen Befruchtung
  • Vermehrte Job-Rotation und Einsatz der Vorstandskandidaten in Digitalbereichen und
    internen Start-ups
  • Gezielte Übernahme von Start-ups inklusive deren Gründerteam („Aqui-Hiring“) und Einsatz in
    Topmanagement-Positionen im Mutterkonzern
  • Rekrutierung des Topmanagements auch für klassische Business-Ressorts von außen in der
    Start-up-Szene
  • Schaffung eines Umfelds, das es Talenten aus der Digitalszene bzw. ehemaligen Unternehmern
    ermöglicht, in das Topmanagement etablierter Unternehmen aufzusteigen
  • Besetzung des Aufsichtsrats und hier insbesondere des Nominierungsausschusses durch
    Personen mit Entrepreneurship- und Digitalerfahrung
  • Schaffung von externen Beiräten zum Coaching von Aufsichtsrat und Vorstand für die
    Vorstandsnachfolgeplanung

Zudem gibt die Studie (S. 18) im Bereich Organisationsentwicklung Hausaufgaben auf:

Konkrete Hausaufgaben für etablierte Unternehmen finden sich insbesondere in den Feldern Kultur und Organisation. Sowohl langsame Entscheidungszyklen, Bürokratie, Hierarchiedenken als auch und insbesondere Macht- und Politikstreben stehen hier Pragmatismus, flachen Netzwerkstrukturen und visionärem Unternehmertum gegenüber (natürlich auch den Nachteilen, z. B. unprofessionellen Prozessen oder kontinuierlicher Improvisation). Gesetz unserer These, dass zukünftige Erfolgsunternehmen das Beste aus beiden Welten zu kombinieren wissen, kann eine Verantwortungsübergabe an ehemalige Start-up- und Digitalunternehmer eine beschleunigende Maßnahme für die eigenen Transformationsaktivitäten sein.

Die Studie kann von der Homepage Julian Krawohls downgeloadet werden:
 Unternehmergeist und Digitalkompetenz (Studie, 21 Seiten, veröffentlicht am 3.10.2017)