Der Weg vom Qualitätsmanagement zur Wirkung

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Paul Brandl

Der Anknüpfungspunkt

War das Thema „Qualität“ bisher auf ein Produkt ausgerichtet, so richtete sich das Augenmerk in den letzten Jahren auf Dienstleistungen plus der dazugehörigen Arbeitsabläufe bzw. Prozesse in einem Unternehmen. Das Thema der Kosten und Fragen der Wirkung von Dienstleistungen wurden bisher nicht wirklich miteinander verbunden. Das Input-Output-Denken verstellte dazu den Blick auf die Zusammenhänge.

Prozesse sind die eine Seite der Reife und des Nutzens

Erst das prozessbasierte Denken – wie es unter anderem beim pQMS extended® (2019) beschrieben ist – ermöglichte ein Denken in Arbeits- bzw. Prozessschritten, das bereits beim Lieferanten ansetzt und über die Lieferung bis zur Lagerung, Bezahlung sowie zu einer etwaigen Entsorgung reicht. Auch Fragen der Hygiene, der Versorgungssicherheit und einer optimierten Belieferung können integriert sowie auch kostenmäßig beziffert werden. Erst durch die Prozessperspektive – auf die KundInnen ausgerichtete Prozesse – kann man sich wieder einen Schritt näher an die Fragen des Nutzens heranwagen. Es braucht dazu dynamisch definierte Dimensionen des Qualitätsmanagements, die nicht nur der formalen Erfüllung der Qualitätskriterien genügen, sondern auch Fragen der Optimierung der Arbeitsabläufe beinhalten.

Diese in fünf Reifegrade zusammengefassten Kriterien beginnen bei den Arbeitsabläufen, wie sie am Beginn der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems vorzufinden sind, mit dem Reifegrad 1. Beim Überführen der Arbeitsabläufe in ein Prozessdenken können die notwendigen Prozessschritte in Reifegrad 2 beschrieben werden. Dabei werden sichtbare Verbesserungsmaßnahmen im Zuge der Prozessbeschreibung durchgeführt, sodass man von ersten Optimierungsschritten sprechen kann. Mit der weitgehenden systematischen Eliminierung der aus dem Kaizen[1] bekannten Verschwendungsanteile bei Prozessschritten wird dann im Reifegrad 3 von „optimierten Prozessen“ gesprochen. Erst die Umsetzung dieser optimierten Prozesse in Form von „gelebten Prozessen“ in Reifegrad 4 ermöglicht eine weitere Steigerung der Effizienz eines Prozesses. Die „kontinuierliche Verbesserung“ des jeweiligen Prozesses im Reifegrad 5 führt dann zu einer weiteren Steigerung der Effizienz. Der Nutzen eines Prozesses kann auf diese Weise für soziale Dienstleister, deren KlientInnen und auch deren Lieferanten wieder einen Schritt mehr sichtbar gesteigert werden (vgl. bereits Hertneck/Kneuper 2011).

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Die Reife der Dienstleistung ist die zweite Seite des Nutzens

Es fehlt noch der sich aufgrund beständig verändernder Anforderungen zu definierende Nutzen der dazugehörigen Dienstleistung für eine Zielgruppe, so wie dies etwa im Service Design (vgl. Becker et al. 2015) erfolgt. Hier wird der Nutzen der jeweiligen Dienstleistung von den KundInnen ausgehend definiert. Auch hier kann eine Definition der jeweiligen Dienstleistung mit Kriterien in fünf Reifegraden erfolgen, indem der technologische und organisatorische Fortschritt definiert wird. Beginnend bei Reifegrad 1 wird die Dienstleistung in analoger Form erstellt. Mit Reifegrad 2 beginnt eine elektronische Vernetzung in Form einer elektronischen Be- und Verarbeitung von Arbeitsschritten. Eine unternehmensinterne Vernetzung wird mit dem Reifegrad 3 erreicht, um dann weiter mit den externen Partnern (das sind vor allem Lieferanten und KundInnen) verbunden zu werden (Reifegrad 4). Diese technische Ausstattung ermöglicht in Reifegrad 5 eine Verbindung der IT mit neuen Organisationsformen (= agile Organisation). Damit kann der Nutzen einer Dienstleistung operationalisiert und für alle Teilprozesse einer Prozesslandkarte in einer Matrix in jeweils zwei Dimensionen dargestellt werden.

Die Matrix des Nutzens und der Wirkung

Führt man die obigen Prozesse in einer Matrix zusammen, so entsteht ein Instrument, das es erlaubt, den Nutzen einer Dienstleistung mit den verbundenen Prozessen der Erstellung zu visualisieren. Für jeden Teilprozess einer Prozesslandkarte – egal ob Kern-, Unterstützungs- oder Lenkungsprozess – kann dafür das nachstehende Instrument angewendet werden:

Reifegrad 1Reifegrad 2Reifegrad 3Reifegrad 4Reifegrad 5
Dienstleistung (x)
Prozesse (y)
analogTeils digitalIntern vernetztIntern/extern vernetztDigital und agil
Reifegrad 5Ständig optimiert
Reifegrad 4Gelebte Optimierung
Reifegrad 3Optimierte Prozesse
Reifegrad 2Beschriebene Prozesse
Reifegrad 1Abläufe wie gewohnt

Die Reifegrade der y-Achse ermöglichen die Optimierung eines Prozesses auf dem jeweiligen technologisch-organisatorischen Reifegrad. Ist eine weitere Optimierung auf dem bestehenden Niveau nicht mehr ökonomisch und ökologisch sinnvoll vertretbar, so bedarf es des Anstrebens des nächsthöheren Reifegrades auf der x-Achse. Ein neues Wertschöpfungspotenzial wird – bezogen auf den jeweiligen Teilprozess – eröffnet und damit rückt auch ein größerer Nutzen tunlichst für alle Beteiligten in greifbare Nähe – visuell darstellbar. Am Beispiel des „Beschaffungsprozesses“ werden diese Überlegungen nachfolgend noch einen Schritt konkreter:

Reifegrad der Dienstleistung 1Reifegrad der Dienstleistung 2Reifegrad der Dienstleistung 3Reifegrad der Dienstleistung 4Reifegrad der Dienstleistung 5
Reifegrade

Dienstleistung (x)
Prozesse (y)

Einkauf im regionalen GeschäftZentraler Einkauf, betriebsinterne Aufteilung und LeistungsverrechnungRahmenvertrag, überwiegend zentrale Bestellung und Lagerhaltung, interne LeistungsverrechnungRahmenvertrag, Bestellung nach Katalog, Lieferung an das dezentrale Lager, möglichst wenig interne Logistik, elektronische AbwicklungRahmenvertrag, elektronischer Katalog, Lieferung binnen 24/36 Stunden an definierten Ort, begleitendes Controlling durch Lieferanten, für alle einsehbar
Formaler Reifegrad 5Ständig optimiert
Formaler Reifegrad 4Gelebte Optimierung
Formaler Reifegrad 3Optimierte Prozesse
Formaler Reifegrad 2Beschriebene Prozesse
Formaler Reifegrad 1Abläufe wie gewohnt
Abbildung: Beispiel „Der Einkauf entwickelt sich zur Beschaffung“

Während der Reifegrad der Dienstleistung 1 noch ganz dem klassischen Einkauf entspricht und analog abgewickelt wird, entwickelt sich der Reifegrad der Beschaffung mit zunehmender elektronischer Umsetzung. Spätestens im Reifegrad der Dienstleistung 5 ist das Maximum an elektronischer Abwicklung erreicht und es werden auch neue, agile Arbeitsweisen möglich.

Veränderung wird berechenbarer

War die Richtung der Veränderung (z. B. mehr Effizienz, mehr Effektivität, gute Arbeitsbedingungen) zwar benennbar, aber speziell zu Beginn nicht so genau sichtbar zu machen, so bieten hier die beiden Reifegrade der Matrix die Möglichkeit, die Richtung des Optimierens oder des Neugestaltens entsprechend der Situation des sozialen Dienstleisters festzulegen. Sowohl eine punktuelle Veränderung des Prozesses oder Anpassung der Dienstleistung als auch ein Neugestalten des Reifegrades der Dienstleistung wird vorhersehbar und damit präziser begründbar. Mit steigenden Reifegraden sind auch neue Formen der (unternehmensübergreifenden) Zusammenarbeit möglich und auch notwendig! Eine Veränderung im Leitbild bahnt sich an.

 

Porträt Brandl Paul

FH-Prof. Dr. Paul Brandl lehrte an der Fachhochschule Oberösterreich Campus Linz, Department Gesundheits-, Sozial- und Public Management in den Bereichen Organisation und Qualitätsmanagement. An diversen Hochschulen nimmt er Lehraufträge wahr und berät im Bereich der Sozialwirtschaft.

Seine Forschungsinteressen gelten dem Prozessmanagement, dem Qualitätsmanagement sowie moderner Dienstleistungsentwicklung.

 


Verwendete Literatur:

Becker, Jörg et al. (2015): Service Design: Mit der Quadromo-Methode von der Idee zum Konzept. Wiesbaden: Springer Gabler.

Brandl, Paul/Ehrenmüller, Irmtraud (2019): pQMS extended: Neues Qualitätsmanagementsystem für die Langzeitpflege: prozessbasiert – erweiterbar – effizienzsteigernd. Regensburg: Walhalla.

Brandl, Paul (2021): Prozessoptimierung: Basis zur Neugestaltung sozialer Dienstleistungen. Mehr Nutzen – weniger Ressourcen – mehr Nachhaltigkeit. Regensburg: Walhalla.

Hertneck Christian/Kneuper, Ralf (2011): Prozesse verbessern mit CMMI® for Services: Ein Praxisleitfaden mit Fallstudien. Heidelberg: dPunkt Verlag.

[1] Die Formen der Verschwendung aus dem Kaizen: Transport, Bestände, Bewegung, Warten, Überproduktion, falsche Prozesse/Technologien, Ausschuss/Nacharbeit, Qualifikation der MitarbeiterInnen