Resilienz in der Sozialwirtschaft

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Klaus Schellberg

Nach der Krise ist vor der Krise – in den letzten Jahren haben wir zahlreiche Krisen erlebt, die auch die Sozialwirtschaft berührt haben. Die Flüchtlingswelle 2015 wurde gefolgt von der Covid-19-Pandemie und jetzt vom russischen Einmarsch in die Ukraine. Damit sind auch schon die nächsten Krisen vorgezeichnet – die Energiekrise, neue Flüchtlingskrisen, Finanzkrisen. Die Klimaveränderung und der demografische Wandel als langfristige Trends bleiben dadurch unverändert.

Während der Corona-Lockdowns sprachen wir oft vom „neuen Normal“ und dachten dabei an Home-Office. Aber möglicherweise werden nicht das Home-Office und die virtuelle Arbeitswelt das neue Normal, sondern die Krise an sich und die dadurch notwendige Veränderung.

Wir müssen uns an den Gedanken auch grundlegender, teilweise abrupter Veränderungen gewöhnen. Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass die Politik die Sozialwirtschaft in einen Kokon aus Gesetzen und finanziellen Unterstützungen packen kann und wird.

Vielmehr wird sich die Sozialwirtschaft auf diese laufenden Veränderungen eigenständig vorbereiten müssen. Sie muss resilient werden, geübt im Umgang mit Krisen und fähig, Krisen zu bewältigen. In der Resilienz wird hier gerne die Fabel von Lafontaine vom Schilfrohr und der Eiche bemüht – das Schilfrohr, das sich im Wind immer wieder biegsam und veränderungsbereit zeigt, die Eiche, die lange standfest ist, dann aber bricht (Jean de Lafontaine, Fabeln, Berlin 1923, S. 27 – 29).

Wie kann unternehmerische Resilienz in der Sozialwirtschaft entstehen?

1. Verantwortung des Managements

Resilienz ist eine Frage des vorausschauenden und flexibel agierenden Managements. Es geht nicht darum, bisherige Wege so lange wie möglich beizubehalten, sondern bereit zu sein, sich unter neuen Bedingungen neue Wege zu suchen. Das bedeutet, die bisherige Arbeit schon während der guten Zeiten in Frage zu stellen, darauf hin zu prüfen, ob die Prämissen noch stimmen, in Alternativen zu denken, nach Verbesserungspotenzialen zu suchen und auch die Veränderungsfähigkeit immer wieder zu üben.

2. Verantwortung der Vorstände und Aufsichtsgremien

Hier kommt speziell den Vorständen und Aufsichtsgremien eine Verantwortung zu. Sie sind nicht im Tagesgeschäft des Unternehmens involviert, sondern in anderen Kontexten unterwegs. Sie können die Frühwarnsignale, gewissermaßen als ein Radar in die Gesellschaft, ins Sozialunternehmen bringen. Und sie haben die Macht, sich auch im Unternehmen Gehör zu verschaffen.

Es ist daher durchaus sinnvoll, wenn Vorstände und Aufsichtsgremien vielfältig zusammengesetzt sind und wenn sie das Hinterfragen zu ihrer Aufgabe machen.

3. Öffentliche Sozialleistungsträger und Ordnungsbehörden

Die öffentliche Hand, namentlich die Ordnungsbehörden (Heimaufsichten etc.) und die Sozialleistungsträger sind indirekt für die Resilienz der Sozialwirtschaft verantwortlich. Flexibilität und Veränderungen bedeuten auch immer Versuch und Irrtum und nicht die Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben. Es bedeutet, finanzielle Spielräume nutzen zu können und mit Risiken umzugehen. Es braucht hier Experimentiermöglichkeiten, Öffnungsklauseln, Risikozuschläge und finanzielle Flexibilität.

Leider kann die Sozialwirtschaft dies nur bedingt beeinflussen. Hier liegt die große Verantwortung der Politikerinnen und Politiker, die sich wirklich um die Zukunft des Sozialen sorgen.

4. Agile Unternehmenskultur

Eine starke Unternehmenskultur hilft einem Unternehmen, schnell und homogen in allen Bereichen des Unternehmens zu handeln. Doch das allein genügt nicht: Eine Unternehmenskultur kann so auch zu Erstarrung führen. Vielmehr braucht es eine Kultur der Offenheit, der Veränderung, des Versuchs und Irrtums, der kreativen Reibung.

Das agile Mindset der Mitarbeitenden ist insofern entscheidend: Sie müssen gewillt sein, sich selbst sowie die gesamte Organisation permanent weiterzuentwickeln und Erfolgsrezepte der Vergangenheit in Frage zu stellen.

5. Unterstützung rechtzeitig holen

Manche Sozialunternehmen setzen sich mit ihren Problemen erst dann auseinander, wenn sie finanziell an die Wand gedrängt sind. Dann braucht es kurzfristige, radikale Sanierungsmaßnahmen, die dann oft zur Einstellung von Angeboten, Schließung von Standorten führen, aber selten zu innovativen und strategisch zukunftsweisenden Entwicklungen. Die hierfür notwendige externe Unterstützung wäre vermutlich besser angelegt in der frühzeitigen Einbindung externer Expertise zur strategischen Neuorientierung oder in der Qualifikation des Managementnachwuchses.

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Resilienz in Unternehmen ist ein wenig wie Präventionsmaßnahmen, wie die regelmäßige Notfallübung. Und hier gilt wohl „there is no glory in prevention”, die Präventionsmaßnahmen lassen sich als Managementerfolg schwer darstellen.

Doch Resilienz geht weiter: Sie schafft ein lebendiges Unternehmen, in dem Mitarbeitende gestalten können und in dem es speziell für junge Leute interessant werden kann, zu arbeiten. Resilienz schafft eine Organisation, die zukünftige Veränderungen mit Leben füllen kann und den eigenen sozialen Auftrag auch in neue Zeiten hineintragen kann.


Autorenbild Prof. Dr. Klaus Schellberg

Prof. Dr. Klaus Schellberg, Diplom-Kaufmann, ist Professor für Betriebswirtschaftslehre für Sozialunternehmen an der Evangelischen Hochschule Nürnberg und Studiengangsleiter im Masterstudiengang Sozialmanagement. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Finanzierung von Sozialunternehmen, Social Return on Investment und Wirkungsforschung. Neben seiner Hochschultätigkeit ist er Gesellschafter der xit GmbH forschung · planung · beratung. Prof. Dr. Schellberg ist Mitherausgeber der Blauen Reihe „Management Soziales & Gesundheit“.