Innovationen benötigen Baupläne: der Social Businessplan für Social Entrepreneure

Ohne Social Business kein Business (Finanzierung), ohne Finanzierung keine soziale Wirkung (Social Business)

Von Prof. Dr. Klaus Schellberg und Sandra Gerhard

Wir sind es gewohnt, in einem Sozialstaat zu leben und als zuständigen Adressaten für die Lösung unserer sozialen Problemlagen stets die „Gesellschaft“ zu sehen. Dies führte in der Konsequenz auch dazu, dass die Soziale Arbeit in ihrem beruflichen Selbstverständnis eine anwaltschaftliche Funktion, das Einfordern und Durchsetzen von Rechten für die eigene Klientel, entwickelt hat.

Nun kennen wir aus der Theorie und aus der praktischen Erfahrung von planwirtschaftlichen staatlichen Systemen das Phänomen des Staatsversagens, staatliche Systeme müssen stets eher standardisiert, träge und inflexibel sein. Das ist auch völlig richtig so, denn jedes staatliche Handeln muss durch den Gesetzgeber legitimiert, rechtlich kodifiziert und durch eine Verwaltung flächendeckend umgesetzt werden – und das ist auch gut so. „Das Schneckentempo ist das normale Tempo jeder Demokratie“, wie es der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt formulierte. Schnelle, unkonventionelle Lösungen sind nicht der Regelfall eines staatlichen Systems.

Die Konzentration auf den Sozialstaat und die gesellschaftliche Verantwortung lenkt auch ab von den Möglichkeiten des Einzelnen oder von Unternehmen.

Hier setzen die Social Entrepreneure an: Sie gehen unternehmerisch an die Sache heran und entwickeln Lösungen. Damit wird vielleicht nicht die ganze Gesellschaft flächendeckend umgestaltet, aber es sind nicht nur politische Ideen und Forderungen, sondern umgesetzte Lösungen. Sie können in Bereichen ansetzen, die dem Staat verschlossen sind und mit einer dem staatlichen System fremden
Innovationskraft und Flexibilität.

Wesensmerkmal der Social Entrepreneurs ist die Existenz einer eigenen Lösungsidee – eine reine Duplizierung bereits existierender staatlicher Leistungen macht den Entrepreneur weitgehend überflüssig. Die Idee muss einen ausreichenden Konkretisierungsgrad haben – es darf nicht nur um das „Ansprechen von Problemen“ gehen, sondern eben um konkrete Lösungsideen. Letztlich lebt Social Entrepreneurship von seiner eigenen Überlebensfähigkeit – der private und zivilgesellschaftliche Sektor kann das Problem aus eigener Kraft nachhaltig angehen.

Diese Wesensmerkmale werden in einem Social Businessplan verdichtet. Innovationen benötigen Baupläne – es müssen also die Lösungsideen und ihre Wirkungsweise beschrieben und transparent gemacht werden.

Die unternehmerischen Konzepte der Entrepreneure leben nicht davon, dass eine Durchführungs- und Finanzierungsbehörde ihre Existenz garantiert. Vielmehr müssen Investitions- und Finanzierungspläne
erstellt und eine nachhaltige Finanzierung sichergestellt werden. Wie schwer das ist und wie oft es an der Finanzierung – und an einer Finanzierungsstrategie – hapert, zeigt beispielhaft die  Reportage im Deutschlandfunk zu Start Ups.

Businessplan und Social Businessplan sind insofern in sich verwoben: Ohne Social Business kein Business (Finanzierung), ohne Finanzierung keine soziale Wirkung (Social Business).

Social Entrepreneurship ist nun keine Ansammlung von Wissen, sondern eine Denkhaltung. Doch dies ist wiederum das Schicksal vieler Unternehmensgründungen: Der visionäre Unternehmer vernachlässigt strukturelle Eckpunkte – und scheitert daran womöglich.

In diesem Spannungsfeld setzt das Buch  „Mit Mehrwert überzeugen: Der Social Businessplan für Sozialunternehmen“ an. Es ist aus einem studentischen Beratungsprojekt für eine reale soziale Unternehmensgründung heraus entstanden. Hier wurden die Ideen der Gründer untersucht, geerdet und so (hoffentlich) nachhaltiger gemacht. Das Buch ist insofern ein „Werkzeugkasten“, der in diesem Projekt geholfen hat – aber wie jeder Werkzeugkasten immer wieder neu sortiert und ergänzt werden muss, je nach Baustelle. Die im Buch dargestellten Instrumente helfen, sind aber natürlich keine Erfolgsgarantie – Entrepreneurship kennt keine Garantien, es lebt davon, auch Scheitern und Misserfolge zuzulassen und diese wiederum als Teil der Entwicklung zu nutzen.

Mit Mehrwert überzeugen

Von Sandra Gerhard

Den ersten Schritt auf dem Weg zu einer wirkungsorientierten Unternehmensgründung zu wagen, benötigt viel Mut und Überzeugung.

Man wird zunächst viele kritische Fragen gestellt bekommen:

„Traust du dir das wirklich zu?“
Wenn als Antwort auf diese Frage kein lautes „Ja“ zu hören ist, sollte man die Gründung noch einmal überdenken. Für eine Unternehmensgründung braucht es Selbstvertrauen. Man muss nicht nur von seiner Idee überzeugt sein, sondern auch davon, dass man die Fähigkeiten eines Unternehmers mit sich bringt. Insbesondere die Gründungsphase erfordert viel Durchhaltevermögen und einen persönlichen Einsatz, der weit über das übliche Maß beruflicher Anstrengung hinausgeht.

Außerdem sollte man intensiv darüber nachdenken, welche Qualifikationen und Eigenschaften zum Gelingen der Geschäftsidee benötigt werden. Es gilt, Strategien zu entwickeln, wie man Defizite ausgleicht und seine Stärken effektiv nutzt.

Darüber hinaus sollte man in der Lage sein, seine Geschäftsidee zu jedem Zeitpunkt präzise und überzeugend zu präsentieren. Das stärkt zum einen das eigene Selbstvertrauen und zum anderen kann dies Interessenten (z. B. Investoren, Banken, Stiftungen) für das Vorhaben gewinnen, die infolgedessen eine ideelle oder finanzielle Unterstützung zusichern.

„Glaubst du, du kannst mit dieser Geschäftsidee erfolgreich sein?“
Im Vorfeld an eine Gründung ist es schwierig vorherzusagen, ob eine Geschäftsidee auf dem Markt Erfolg haben wird. Aber es gibt Möglichkeiten, sich der Beantwortung dieser Frage anzunähern.
Hierbei ist insbesondere eine intensive Vorbereitung wichtig. Eine Hilfestellung bietet dabei der Businessplan. Durch die geforderte detaillierte Darstellung der Geschäftsidee setzt man sich mit den betriebswirtschaftlichen Seiten der Gründung auseinander und objektiviert seine persönlichen Vorstellungen. Ein Businessplan hilft zudem, mögliche Schwierigkeiten der Gründung frühzeitig zu identifizieren und diesen entgegenzuwirken.

Bei einem wirkungsorientierten Sozialunternehmen muss einem darüber hinaus deutlich sein,
dass dieses langfristig nur erfolgreich sein wird, wenn man die prognostizierten gesellschaftlichen Wirkungen auch erreicht. Wirkungsorientierte Maßnahmen sollten daher gezielt geplant und mithilfe
von Instrumenten wie dem SRS regemäßig überprüft und verbessert werden.

„Warum möchtest du ein wirkungsorientiertes Sozialunternehmen gründen?“
Eine Unternehmensgründung mit sozialer Ausrichtung entspricht häufig nicht den typischen Vorstellungen der Gewinnmaximierung. Als Sozialunternehmer gründet man nicht aus der Motivation heraus, mit seiner Idee endlosen Reichtum zu erwirtschaften, sondern Lösungen für soziale Herausforderungen in der Gesellschaft zu finden.

Die Gründung eines Sozialunternehmens, insbesondere eines gemeinnützigen Unternehmens, ist daher in den meisten Fällen besonders schwierig und bedarf viel Vorbereitung. Es gibt viele Regularien
und Vorschriften, die bei der Gründung zu beachten sind und das Unternehmen bei Missachtung in finanzielle Bedrängnis bringen können.

Auch die wirkungsorientierte Ausrichtung erfordert Überzeugung und Planung, da insbesondere im Bereich der Sozialen Arbeit Wirkungen schwer quantifizierbar sind und es somit sehr schwierig ist, Adressaten den Mehrwert des sozialen Unternehmens zu verdeutlichen. Außerdem ist für die Glaubwürdigkeit des Sozialunternehmens wichtig, die soziale Ausrichtung in allen Unternehmensbereichen umzusetzen und stetig weiterzuentwickeln.

„Was machst du, wenn das Vorhaben scheitert?“
Trotz aller Maßnahmen und Vorbereitung kann es sein, dass das Vorhaben und somit die Unternehmensgründung scheitert. Es ist wichtig, sich im Vorhinein Gedanken über ein mögliches Scheitern zu machen und dieses realistisch in Betracht zu ziehen. Das Ausmaß des persönlichen und finanziellen Risikos muss einem bewusst sein und sollte unbedingt vor der Gründung abgewogen werden. Es sollte aber nicht dazu führen, dass keine (Sozial-)Unternehmen gegründet werden. In Deutschland muss man sich dessen bewusst sein, dass gescheiterte Gründer oftmals mit Vorurteilen in der Gesellschaft zu kämpfen haben.

Mit großer Sicherheit gibt es viele weitere Fragen, die man im Laufe einer Unternehmensgründung gestellt bekommt. Man sollte sich davon nicht abschrecken lassen, sondern es als Chance sehen, um
mit möglichst vielen Personen über die Idee zu diskutieren und Schwächen und Risiken im Vorfeld zu minimieren. Denn nur mit einer tragfähigen Geschäftsidee ist es möglich, langfristig sozialen Mehrwert für die Gesellschaft zu stiften und die Welt ein Stück weit zu verbessern.


Prof. Dr. Klaus Schellberg, Diplom-Kaufmann, ist Professor für Betriebswirtschaftslehre für Sozialunternehmen an der Evangelischen Hochschule Nürnberg und Studiengangsleiter im Masterstudiengang Sozialmanagement. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Finanzierung von Sozialunternehmen, Social Return on Investment und Wirkungsforschung. Neben seiner Hochschultätigkeit ist er Gesellschafter der xit GmbH forschung · planung · beratung.

Sandra Gerhard war Mitglied der Studierendenprojektgruppe „Junior Consulting – Entwicklung und Management von Projekten in der Sozialwirtschaft“ der Evangelischen Hochschule Nürnberg.